Zum Inhalt springen
Aktuelle Seite: polylog 20

polylog 20

Franz Martin Wimmer und Hans Schelkshorn: Editorial

2008

Universalismus

Herausgeber des Thementeils: Franz Martin Wimmer & Hans Schelkshorn

Einleitung

THEMA

Pier Cesare Bori

Universalismus als Vielheit der Wege

Pier Cesare Bori versucht die Frage zu beantworten, wie aus einem Absolutheitsanspruch heraus mit grundlegender Differenz der Anschauungen umgegangen werden kann. Zunächst erinnert er uns hier an Vorschläge für einen “pluralistischen Universalismus” der europäischen Tradition, von Nikolaus von Kues bis in die Gegenwart. Diese Lektüre der Vergangenheit dient dazu, “zwei verschiedene Modalitäten der Universalisierung des Partikulären (der eigenen Kultur)” zu verdeutlichen: die “Erhebung des Partikulären auf die Ebene des Absoluten, oder aber … das Partikuläre als Teil eines Ganzen zu betrachten”. Zweiteres, ein “kritischer Partikularismus”, kann von dem Bewusstsein ausgehen, dass die Gegebenheit der anderen Kultur die Gewissheit in Bezug auf den absoluten Charakter der eigenen sichert. Es müsse möglich sein, von einem Hintergrund mit Absolutheitsanspruch (dem jüdisch-christlichen) aus, den wirklichen, den nicht-strategischen Dialog zu bilden. Um daraus ein Modell zu entwickeln, bleibt Bori nicht mehr im Rahmen okzidentaler Traditionen, sondern entwirft von der Bhagvadgita aus das Modell eines “spirituellen Lebens”, das “mit oder ohne persönlichen Kult oder den Glauben an einen personalen Gott” zu verstehen ist, immer aber drei Disziplinen beinhaltet: Kontemplation, Aktion und Devotion. Boris Schluss: “Es wird darum gehen, den nicht inhaltlichen, sondern strukturellen Parallelismus der menschlichen Wege zu erkennen, jenseits ihrer Namen und ihrer schlussendlichen Konvergenz.”

Christoph Antweiler

Universalien – Muster im Meer kultureller Vielfalt

Der Monolog im Polylog der Kulturen

Dass die Ethnologie oder Kulturanthropologie eine Wissenschaft ist, deren Erkenntnisse für Philosophen von entscheidender Bedeutung sind, sobald diese sich der Kulturalität der Philosophie bewusst werden, sollte außer Diskussion stehen. Daher ist die Sicht eines Kulturanthropologen darauf, welche “Kulturuniversalien”, also “Elemente oder Phänomene, die in allen Gesellschaften vertreten sind” es eigentlich gibt, wie man sie nachweist, wie sie entstehen und warum sie relevant sind, ebenso von großem Interesse für die Philosophie. Christoph Antweiler hat sich mit dieser Frage intensiv befasst und gibt uns in seinem Beitrag einen Einblick in den Stand der Forschung auf diesem Gebiet. Nun ist Ethnologie als “Wissenschaft vom kulturell Fremden” (Kohl) eher am Besonderen, Vielfältigen, als am Universellen interessiert. Dennoch scheinen universalistische Annahmen unvermeidlich zu sein, was zu einer systematischen Untersuchung Anlass gibt. Antweiler beschreibt differenziert die Methoden des Vergleichens, die hier anzuwenden sind.

Mario Rojas Hernández

Universalismus und Begründung der Ethik

Ein Dilemma der lateinamerikanischen Philosophie

Mario Rojas Hernández entwickelt eine scharfe Kritik an drei bedeutenden Positionen der lateinamerikanischen Gegenwartsphilosophie, nämlich den Befreiungsphilosophien von Enrique Dussel und Horacio Cerutti und dem Konzept einer interkulturellen Philosophie von Raúl Fornet-Bertancourt. Hernández steht zwar den Anliegen einer “lateinamerikanischen Philosophie”, d.h. einer Philosophie, die bewusst vom soziokulturellen Kontext der lateinamerikanischen Gesellschaften ausgeht und sich auf die Probleme postkolonialer Gesellschaften einlasst, grundsätzlich positiv gegenüber. Gegenstand der Kritik ist daher nicht das Projekt einer “filosofía americana” als solcher, das Mitte des 19. Jahrhundrérts von Juan Bautista Alberdi begründet und in den 1970er Jahren durch die unterschiedlichen Befreiungsphilosophien neue Aktualität gefunden hat, sondern eine gefährliche Inkonsistenz zwischen Universalismuskritik und der unausgewiesenen Inanspruchnahme universalethischer Normen – eine Inkonsistenz, die nach Hernández über den engen Bereich der Befreiungsphilosophien hinaus inzwischen weite Bereiche der lateinamerikanischen Gegenwartsphilosophie bestimmt.

Gregor Paul

Logik und Kultur

Allgemeingültige und nicht-allgemeingültige Prinzipien logischer Form

Im vorliegenden Artikel geht Gregor Paul von einer Redeweise aus, die gerade im Zusammenhang mit interkulturellen Themen ziemlich häufig anzutreffen, in sehr vielen Fällen wohl wenig überlegt, in ihren Konsequenzen aber alles andere als harmlos ist – von der Rede über eine “andere Logik” in “anderen Kulturen” oder insbesondere über eine “östliche Logik”. Diese Rede hält Paul für unbegründet, für verhängnisvoll, und für falsch. Er identifiziert gängige Argumente und versucht, diese zu widerlegen. Im Folgenden bringt Paul einerseits Argumente für die Universalität von (gewissen) logischen Gesetzten und detaillierte Belege für deren Annahme vor allem in Texten der chinesischen Tradition.

GIBT ES EINEN ERKENNTNISFORTSCHRITT DURCH INTERKULTURELLES PHILOSOPHIEREN?

Anworten von Raúl Fornet-Betancourt, Elmar Holenstein, Heinz Kimmerle, Giangiorgio Pasqualotto, Gregor Paul, Hans Jörg Sandkühler, Bernhard Waldenfels, Franz Martin Wimmer & Dina C. Picotti

In den vorliegenden Beiträgen wird versucht, die Frage zu beantworten, ob interkulturelles Philosophieren in der Lage ist, einen Erkenntnisfortschritt hervorzubringen. Raúl Fornet-Betancourt, Elmar Holenstein, Heinz Kimmerle, Giangiorgio Pasqualotto, Gregor Paul, Hans Jörg Sandkühler, Bernhard Waldenfels, Franz Martin Wimmer und Dina V. Picotti C. haben sich dieser Frage kritisch gestellt und sind auf Antworten gestoßen die nicht zum Aufgeben, sondern zum Weitermachen animieren.

FORUM

Judith Schildt

»Das hindert uns nicht voranzuschreiten!«

Zum Verhältnis von anarchistischem Denken in China und aufklärerischen Ideen oder: Was heißt es, selbstständig zu denken?

REZENSIONEN UND BUCHTIPPS

Fuss ...